Zusammenfassung Studie: Gestörtes Arbeiten - schlechteres Arbeiten
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Die Ergebnisse wurden in der ver.di-Publikationsreihe „Arbeitsberichterstattung aus der Sicht der Beschäftigten“ vorgestellt. Erstellt wurde die Umfrage mithilfe des DGB-Index Gute Arbeit.
Bei der Fragestellung muss bewusst unterschieden werden, dass es gewollte und ungeplante Arbeitsunterbrechungen gibt. Geplante Unterbrechungen dienen der Erholung und werden selbstbestimmt herbeigeführt.
Dem entgegen stehen die unerwarteten Arbeitsunterbrechungen, die den Arbeitsfluss stören und häufig auch zu erhöhten Arbeitsanforderungen führen. Häufige Störungen sowie solche zu sehr ungünstigen Zeitpunkten gelten als enorme Stresstreiber.
In einer ersten Umfrage gaben 52 % der befragten Beschäftigten der Dienstleistungsbranche an, bei der Arbeit sehr häufig (25 %) oder oft (27 %) gestört oder unterbrochen zu werden. Knapp die Hälfte von ihnen gibt wiederum an, dass diese Störungen sie in stärkerem Maße belasten. Allgemein lässt sich also sagen, dass bezogen auf Deutschland jeder Vierte Beschäftigte im Dienstleistungssektor durch Störungen des Arbeitsflusses stark oder eher stark belastet ist.
Diese Zahlen zeigen, dass dies ein zentrales Problem der aktuellen Arbeitswelt ist.
Der Fokus muss also auf einem Abbau der systemisch angelegten Überforderung liegen. Dieses Problem lässt sich nicht nur auf einzelne Branchen beschränken, wobei aber gezeigt wurde, dass es durchaus Branchen gibt, in denen die Beschäftigten zu großen Anteilen sagen, dass sie sehr häufig oder oft gestört werden. An der Spitze stehen hier mit 79 % die Beschäftigten aus der IT-Informationstechnologie gefolgt von Mitarbeitern der Telekommunikation, Finanzdienstleistern, öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung sowie dem Gesundheitswesen.
49 % und weniger gaben Beschäftigte aus dem Einzelhandel, Erziehung und Unterricht, Forschung und Entwicklung, Großhandel und dem Transport, Verkehr und Post an, sehr häufig oder oft gestört zu werden. Die niedrigsten Prozentsätze lagen bei Mitarbeitern aus dem Sozialwesen (41 %) und bei denen im Gastgewerbe (40 %).
Diese Zahlen zeigen aber auch, dass keiner der Wirtschaftszweige in dieser Frage unter 40 % liegt.
Zum anderen beleuchten diese Zahlen noch einen anderen wichtigen Fakt: von Beschäftigten im Gastgewerbe geben 71 % an, sehr häufig oder oft mit Gästen und Kund:innen zu tun zu haben. Ihr Anteil der sehr häufig/ oft gestört Arbeitenden liegt dennoch unter dem bundesweiten Durchschnitt. Das beweist also auch: wo mit Unberechenbarem im täglichen Arbeitsleben umgegangen werden muss, wird es seltener als Störung empfunden.
Schlüsselt man die Prozentsätze der Störungen nach Berufsgruppen auf, zeigt sich, dass der höchste Anteil mit 72 % bei Berufen in der Unternehmensführung und -organisation liegt. Hierbei sind Beschäftigte bspw. in der Unternehmensberatung, in Vorständen und Topmanagement gemeint, aber auch vor allem die Beschäftigten in deren Vorzimmern.
Ähnlich hoch liegen die Zahlen auch bei Beschäftigten in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungen sowie in unternehmensbezogenen Berufen.
Den niedrigsten Anteil machen hier Verkehrs- und Logistikberufe sowie Reinigungsberufe aus.
Schaut man sich die Geschlechterverteilung an, ergibt sich folgendes Bild: sowohl in Vollzeit als auch in Teilzeit arbeitende Frauen geben jeweils häufiger an, sehr häufig oder oft gestört zu werden (Vollzeit 59 % vs. 55 %; Teilzeit 47 % vs. 39 %). Vermutet wird, dass dies an den Arbeitsbedingungen in Branchen mit höherem Frauenanteil liegen kann oder der Fakt, dass gegenüber Frauen geringere Hemmungen bestehen, sie zu stören.
Ein Treppenbild ergibt sich, schaut man sich die Auswertung nach Einkommensgruppen unterteilt an. Hier sieht man einen gleichmäßigen Anstieg der Störung gebunden an den Anstieg des Einkommens. Durchschnittlich betrachtet finden Beschäftigte der höheren Einkommensgruppen insgesamt bessere Arbeitsbedingungen vor als Beschäftigte in Niedriglohngruppen. Dennoch gibt es Einzelaspekte, die hiervon eine Ausnahme machen und die Störung des Arbeitsflusses kann als eine davon betrachtet werden.
Sicher ist es nachvollziehbar, dass Störungen im Arbeitsfluss zu Wiederholung der gerade ausgeführten Tätigkeit führen können sowie zu Zeitverlust durch erneute Konzentrationsphasen, in die erst hineingefunden werden muss. Diesen Fakt, sich bei der Arbeit gehetzt oder unter Zeitdruck zu fühlen, geben 73 % der sehr häufig gestört werdenden an. Auch hier korreliert die Abnahme des Gefühls gehetzt zu arbeiten mit der Abnahme der Störungen während der Arbeit.
Umgekehrt gilt natürlich auch, dass wo Arbeitshetze herrscht, werden unerwartete Ereignisse auch öfter als Störung empfunden.
Mangelnde Arbeitsvorbereitung in Form von fehlenden Informationen von Mitarbeitern/ Teamleitern machen 33 % der Beschäftigten zu schaffen. Hier ist ganz klar absehbar, dass die Chance groß ist, dass der Arbeitsfluss ins Stocken gerät. Die Rolle der Vorgesetzten ist hier nicht zu unterschätzen. Bei der Frage: „Inwieweit plant Ihr/e Vorgesetzte/r die Arbeit gut?“ geben von allen im Dienstleistungssektor Beschäftigten insgesamt 39 % eine negative Antwort. Die Zahlen korrelieren mit dem Grad der Störung, der deutlich höher ist, wenn vorher schlecht geplant wurde. Ganz wichtig zu ergänzen ist hier, dass auch Vorgesetzte (26 %) in die Befragung mit eingeschlossen wurden, von denen nahezu 100 % ihrerseits Vorgesetzte haben.
Mit Blick auf die Digitalisierung lässt sich zusammenfassen, dass 58 % der Beschäftigten im Dienstleistungssektor in hohem oder sehr hohem Maß mit digitalen Mitteln und Verfahren arbeiten. Mittlerweile durchzieht die Digitalisierung alle Branchen und in keiner Branche beträgt der Anteil derjenigen, die in hohem/ sehr hohem Maß mit digitalen Mitteln arbeiten, weniger als 27 %. Es zeigt sich, dass sich 62 % der in hohem/ sehr hohem Maß von der Digitalisierung betroffenen Beschäftigten sehr häufig/ oft gestört fühlen. Dennoch muss differenziert werden, ob die zahlreicheren Störungen durch die digitale Technik verursacht werden oder mit den Bedingungen zusammenhängen, unter denen sie eingesetzt werden. Wichtig zu erwähnen sind hier Multitasking, der Zuwachs an Arbeit, den Beschäftigte von zu Hause und unterwegs aus leisten sowie die Anforderung, für den Arbeitgeber ständig erreichbar zu sein.
Zahlen belegen nun, dass eine häufige Störung im Arbeitsfluss und damit ausgelöste Arbeitshetze mit Abstrichen bei der Qualität einhergehen. Dabei kann Hetze verschiedene Ursachen haben. Zu nennen sind hier allen voran das Arbeitsvolumen, das es den Mitarbeitern nicht ermöglicht, ihr Pensum zu schaffen, wenn häufige Störungen vorkommen. 39 % der Beschäftigten, die häufig gestört werden, gaben an, Abstriche bei der Qualität ihrer Arbeit machen zu müssen.
Abschließend wundert es sicher nicht, dass gehetzte Beschäftigte ihre Pausen verkürzen oder gar ausfallen lassen müssen, um ihre Arbeit schaffen zu können. Der Anteil liegt bei 35 % von denen die oft/sehr häufig ihre Pausen einschränken müssen.
Hier lohnt es, die Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den Achtsamkeitsansprüchen der Beschäftigten gerecht werden. Ein gestörter Arbeitsrhythmus wird in jedem Fall als unangenehmen empfunden. Alle Ergebnisse zusammengefasst zeigen, dass gestörtes Arbeiten im Durchschnitt für alle Beschäftigten des Dienstleistungssektors mit schlechteren Arbeitsbedingungen verbunden ist. Ein besseres Umfeld, das ungestörtes Arbeiten begünstigt, kommt sowohl den Beschäftigten als auch den Kund:innen, Patient:innen, Lernenden u.a. zugute.
Studie:
https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++file++5d5276e7e999fb112254596a/download/Gest%C3%B6rtes%20Arbeiten%2C%20schlechteres%20Arbeiten.pdf