Selbstmanagement im Home-Office
Die Last des ständigen Aufschiebens

Prokrastination bezeichnet ein Verhalten, das dadurch gekennzeichnet ist, dass Aufgaben trotz vorhandener Gelegenheiten und Fähigkeiten entweder nicht oder erst nach sehr langer Zeit und dabei oft zu spät erledigt werden. Stattdessen werden häufig Alternativtätigkeiten ausgeführt, die relativ angenehmer sind und/oder unmittelbare Verstärkung ermöglichen (z. B. Putzen). Es führt zu subjektivem Leiden, da die Betroffenen ihre Aufgaben gar nicht oder nur unter sehr großen Mühen fertigstellen.
Diese Problembeschreibung kennen 15-20 % aller Beschäftigten, bei Studierenden berichten mit 80 – 95% sogar wesentlich mehr davon. Durch die Verlagerung der Arbeit in den mobilen und digitalen Bereich im Zuge der Corona Krise, berichten viele Beschäftige aktuell von dieser Herausforderung.
Prokrastinieren verursacht Produktivitätskosten und wirkt sich auf geistige und körperliche Gesundheit aus: chronischem Stress, geringer Lebenszufriedenheit, schlechtem Gesundheitsverhalten, chronischen Krankheiten sowie Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen können die Folgen sein.
Zunächst ist es wichtig eine Reflexion über das eigene Verhalten und die möglichen Gründe anzustellen. Das ist der Beginn hin zu einer positiven Veränderung. Denn den Betroffenen sind die Nachteile oftmals durchaus bewusst.
Warum zögern sie dennoch?
- Analytisches Denken ist mühsam und langsam; es verlangt viel Energie, um im Alltag ständig alle Informationen zu verarbeiten und gut durchdachte Entscheidungen zu treffen.
- Psychologische Studien zeigen: momentane Gefühle und Intuitionen beeinflussen die Urteile und Entscheidungen der Menschen. Sie interessieren sich mehr für sofortige Belohnungen und Bestrafungen als für in der Ferne liegende Konsequenzen: „Delay-Discounting“ ist der Kern der Prokrastination.
- Wir zögern, wenn wir Aufgaben erledigen sollen, die in der Gegenwart negative Emotionen auslösen, auch wenn sie uns auf lange Sicht Positives bringen würden.
- Prokrastination ist also eine Strategie, um eine Vielzahl von aversiven Emotionen kurzfristig zu regulieren.
Besonders relevant ist die Angst vor dem Versagen
- Scheitern ist ein obligatorischer Bestandteil jeder Tätigkeit, Misserfolge bieten aber große Lernmöglichkeit, wenn man sich Zeit für Reflexion nimmt. Dennoch rufen Aussicht auf Misserfolg Furcht und Abneigung hervor - diese Angst behindert.
- Schlimmer noch wird das Versagen bei dieser Aufgabe als Versagen insgesamt gesehen: die Betroffenen gehen davon aus, dass ihre Leistung ein direktes Spiegelbild ihrer Kompetenz ist und dass ihre Kompetenz bestimmt, wie wertvoll sie als Individuum sind.
- Prokrastination stellt hier eine Strategie dar, um die Gleichung zwischen Leistung und Kompetenz aufzubrechen und so ihren Selbstwert zu schützen.
10 Tipps gegen Prokrastination:
- Langeweile als Ursache: entsteht, wenn wir uns unterfordert fühlen oder eine Tätigkeit als sinnlos ansehen. Sie lässt sich vermeiden, wenn man Arbeitsbedingungen im Home Office optimiert, ausreichend Schlaf hat, anspruchsvolle Tätigkeiten zu Tageszeiten plant, an denen die meiste Energie vorhanden ist, komplexe Aufgaben in kleine Stücke zerlegt, vor Ablenkung schützt und sich Unterstützung von KollegInnen oder Vorgesetzten einholt.
- Lassen Sie sich genug Zeit: Klingt widersprüchlich, ist es aber nicht! Sie sollen nicht den Start einer Aufgabe verschieben, sondern genügend Zeit einplanen, die Sie für eine Aufgabe brauchen. Oft wird unterschätzt, wie lange etwas dauert. Machen Sie diesen Fehler nicht! Geben Sie sich selbst genug Zeit und es wird Ihnen umso einfacher fallen, wirklich loszulegen.
- Planen Sie vor: Wie gesagt: Prokrastination ist in erster Linie eine Gewohnheit. Überlisten Sie sich also und notieren Sie sich schon am Abend, was Sie am nächsten Tag in welcher Reihenfolge tun werden (werden – nicht wollen!). Und dann halten Sie sich daran. Planen Sie aber auch genügend Freizeit (zur Erholung und für Unvorhergesehenes) sowie Aufgaben, die Ihnen Spaß machen, ein.
- Seien Sie sehr konkret: Je genauer und konkreter Sie bei der Planung sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie von Ihren Plänen abweichen. Nehmen Sie sich beispielsweise vor: Morgen um 14 Uhr werde ich für eine Stunde meine Datenauswertung machen, bevor ich eine Pause mache. Eine solch genaue Planung motiviert, anstatt abzuschrecken.
- Achten Sie auf Ihre Gedanken: Gedanken haben enorme Macht. Wir reflektieren ständig unser Verhalten, analysieren uns, kritisieren uns, loben uns, schmieden Pläne. Dieser innere Dialog prägt unser Handeln und unsere Gefühle zu großen Anteilen. Schon der Talmud warnt: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.“ Achten Sie also auf Ihre Gedanken! Und denken Sie optimistisch: Sie schaffen das! Die anstrengende Zeit durch das Corona bedingte Home Office hat bald dein Ende!
- Machen Sie sich weniger Druck: Sagen Sie sich selbst oft „Du musst“, „Du sollst“, „Mach jetzt, sonst…“? Seien Sie hierzu sensibel. Aufschieber flüchten so erst recht. Ändern Sie stattdessen den Mechanismus und machen Sie sich bewusst, eine Wahl zu haben. „Ich darf das Tun“, „Ich kann den Ablauf bestimmen“, …
- Setzen Sie Prioritäten: Entscheiden Sie, was wirklich wichtig und dringend ist und was noch Zeit hat oder delegiert werden kann. Die Eisenhower-Methode eignet sich dafür besonders gut. Aber auch die ABC-Technik.
- Zerlegen Sie große Aufgaben in kleine: es ist wie mit dem physikalischen Gesetz der Trägheit: Ist ein schwerer Körper erst in Bewegung, wird es leichter ihn in Fahrt zu halten. „Auch die längste Reise beginnt mit einem einzelnen Schritt“, lautet ein chinesisches Sprichwort. Also beginnen Sie mit kleinen Schritten
- Seien Sie realistisch: Aufschieber neigen zur Alles-oder-Nichts-Haltung. Dahinter steckt ggf. die Angst nicht mehr akzeptiert zu werden, wenn etwas nicht vollkommen ist. Auch 80 Prozent sind oft gut genug. Was kann den schlimmstenfalls passieren, wenn Sie Ihr (!) Ideal nicht erreichen? Die aktuelle Zeit hält dafür in jedem Fall viel Verständnis bereit.
- Belohnen Sie sich für Teilerfolge: Um Prokrastination in den Griff zu bekommen, ist Selbstdisziplin nötig, manchmal auch Druck. Deshalb ist Belohnung am Ende wichtig, um sich bei Laune zu halten. Was alle Erfolgreichen letztlich eint: Sie halten die Lücke zwischen Absicht und Ausführung sehr klein. Und den Spaßfaktor groß.
Wie sagte schon Friedrich Nietzsche: „Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel.“