Führung und Solidarität in der Transformation: Zwei Perspektiven auf den Wandel
von Benjamin Pause
1. Perspektive des IW Köln: Führung als Motor des Wandels
Der IW-Report "Führung in der Transformation" identifiziert vier zentrale Megatrends, die den Wandel in Unternehmen vorantreiben: Dekarbonisierung, Demografie, Digitalisierung und De-Globalisierung [1]. Diese Entwicklungen erfordern eine grundlegende Anpassung der Unternehmensführung.
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Megatrend
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Herausforderung für die Führung
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Dekarbonisierung
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Integration von Nachhaltigkeit und SDGs in die Geschäftsmodelle; Fokus auf langfristige ökologische und soziale Auswirkungen.
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Demografie
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Fachkräfte- und Humankapitalengpass; der Arbeitsmarkt wird zum Bewerbermarkt; Notwendigkeit, junge Talente durch werteorientierte Führung zu binden.
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Digitalisierung
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Disruption traditioneller Geschäftsmodelle; Notwendigkeit eines Kulturwandels hin zu Vertrauens- und Ergebniskultur (z.B. durch Homeoffice).
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De-Globalisierung
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Aufbau von Resilienz gegen Lieferkettenprobleme und Krisen; Verlagerung von Lieferketten in näher gelegene Regionen.
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Die zentrale Forderung des IW an moderne Führung ist die Abkehr vom reinen Shareholder-Value-Ansatz hin zu einem breiteren Stakeholder-Ansatz [1]. Führungskräfte sollen nicht mehr primär als Vorgesetzte, sondern als Coach oder Berater agieren, die Mitarbeitende zur Eigenverantwortung befähigen. Werteorientiertes, ethisches und nachhaltiges Handeln wird als entscheidend für die Mitarbeitergewinnung und die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens betrachtet.
2. Die Perspektive der RLS: Solidarität als Fortschrittspotenzial
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung betrachtet die Transformation im Kontext von Krisen (wie der COVID-19-Pandemie) und sieht in der Solidarität ein zentrales Fortschrittspotenzial [2]. Die Autoren argumentieren, dass die Krise die Verwundbarkeit einer Gesellschaft offenbart hat, die durch vier Jahrzehnte Neoliberalismus und die Privatisierung öffentlicher Güter (z.B. im Gesundheitswesen) geschwächt wurde. Die RLS unterscheidet zwischen verschiedenen Formen der Verbundenheit in der Arbeitswelt:
•Kooperation: Die technische Notwendigkeit der Zusammenarbeit im Produktionsprozess.
•Kollegialität: Die informelle, wechselseitige Unterstützung unter Kolleg:innen.
•Solidarität: Die interessenpolitisch untersetzte, bewusste Form der Verallgemeinerung von Einzelinteressen zu einem gemeinsamen, antagonistischen Interesse (z.B. gegenüber dem Management) [2].
Die Publikation warnt davor, dass die in Krisenzeiten beschworene "Wir-Gesellschaft" oft nur ein Krisenbegriff ist, der die zugrundeliegenden sozialen Spaltungen überdeckt. Die tatsächliche Herausforderung besteht darin, Solidarität als widerständiges Konzept zu etablieren, das über die bloße Kooperation hinausgeht und die Machtressourcen der Beschäftigten stärkt, um die Transformation aktiv mitzugestalten. Die Autoren betonen, dass Solidarität nicht in der Konkurrenz um Arbeitsplätze unter die Räder geraten darf.
Fazit: Wandel braucht Führung und Gemeinschaft
Beide Analysen erkennen die Tiefgreifendheit des Wandels an. Während das IW Köln die Führungsebene in die Pflicht nimmt, den Wandel durch werteorientierte, resiliente und nachhaltige Managementpraktiken zu steuern, betont die RLS die Notwendigkeit einer gestärkten Solidarität der Beschäftigten, um die Transformation nicht nur als technologischen oder ökonomischen Sachzwang hinzunehmen, sondern als Chance für eine demokratischere und sozial gerechtere Arbeitswelt zu nutzen.
Der erfolgreiche Wandel erfordert demnach nicht nur eine moderne, verantwortungsvolle Führung, sondern auch eine aktive, solidarische Gemeinschaft der Arbeitnehmer:innen, die ihre Interessen in den Transformationsprozess einbringt.
Referenzen
[1] Suling, L., & Wildner, J. (2024). IW-Report 2024: Führung in der Transformation. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2024/IW-Report_2024-F%C3%BChrung-in-der-Transformation.pdf
[2] Detje, R., & Sauer, D. (2021). Solidarität in der Transformation: Fortschrittspotenziale in Zeiten der Krise. Rosa-Luxemburg-Stiftung. https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Artikel/7-21_Onl-Publ_Solidaritaet.pdf